Die Phase zwischen der ersten positiven Kontaktaufnahme und finalen Entscheidung des prospektiven Arbeitgebers dauert subjektiv noch länger als sie ist. Manchmal kommt die Entscheidung nach wenigen Tagen, in anderen Fällen zieht sich das Entscheidungsverfahren über mehrere Monate.
Je bedeutsamer die Stelle für den Kandidaten, desto angespannter wird die Wartephase wahrgenommen. Wie viele Kandidaten sind wohl noch im Rennen, konnte ich im Vorstellungsgespräch überzeugen und an welcher Stelle stehe ich wohl gerade im Bewerberranking? Viele Bewerber machen in dieser Zeit ihr Umfeld verrückt, sie scheinen nur noch ein zentrales Thema zu haben. Und alle Fragen, die der Bewerber sich und anderen stellt, können höchstens spekulativ beantwortet werden. Na klar drücken alle die Daumen, wünschen Ihnen das Beste und reden Ihnen gut zu. Aber kann man denn wirklich an nichts ablesen, wo man für den vielleicht zukünftigen Arbeitgeber gerade im Bewerbungsverfahren steht? .
Eine funktionierende Wahrscheinlichkeitsrechnung kann ich Ihnen hier nicht anbieten, aber eine kleine These (mehr als Leitsatz statt wissenschaftlicher Behauptung) möchte ich trotzdem dazu aufstellen:
Je länger Sie auf die erste Rückmeldung nach dem Einsenden Ihrer Bewerbung warten oder je länger der Termin für Ihr erstes Vorstellungsgespräch in der Zukunft liegt oder je länger der Zeitabstand zwischen Ihrem ersten und zweiten Termin/Gespräch/AC ist, desto weiter hinten liegen Sie im Ranking.
Wie ich darauf komme? Denken Sie mal darüber nach, wofür die Firma die (langen) Zeitabstände nutzen könnte…
Der Arbeitgeber sucht das beste „match“ – also den zur Vakanz passendsten Kandidaten. Die Nr. 2, 3 usw. (viel mehr wird es zu dem Zeitpunkt vielleicht schon nicht mehr geben) sind nicht schlechter, sondern nur für die spezielle Stelle als weniger passend eingeschätzt worden.
Im Rahmen von Job-Matching funktioniert das zunehmend digital und damit automatisch – ein aus meiner Sicht nicht ganz ungefährlicher Trend. Denn für den „Matching-Algorithmus“ müssen bestimmte Parameter festgelegt werden. Und damit werden im Zweifel auch dieselben Fehler, vage Annahmen oder vermeidbare Selbstbeschränkungen im Auswahlverfahren dauerhaft zementiert.
Wenn nicht Algorithmen über den Erfolg in der Zukunft maßgeblich entscheiden, sondern Fleiß und Mut im HR die Oberhand behalten (oder zurückgewinnen), entscheiden wir uns doch mal ganz absichtlich für die Nr. 2 – er/sie/es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit am Anfang etwas anstrengender sein, dafür den frischen Wind in die Firma oder Abteilung bringen, die Ihnen der oben beschriebene Job-Matcher voraussichtlich vorenthalten hätte!